Festveranstaltung „30 Jahre Deutsche Einheit“ – Ich verlange eine Entschuldigung.

Bild: Andre Henschke

Nun mit drei Wochen Abstand zu dieser Veranstaltung, die alles andere als festlich war, versuche ich mit einem objektiveren oder besser: klareren Blick die Dinge zu beurteilen. Neben wirklich tollen musikalischen Beiträgen der mittelsächsischen Philharmonie lud Baubürgermeister Holger Reuter im Auftrag der Stadtspitze den ehemaligen ZDF-Moderator Peter Hahne in die Petrikirche ein. Dieser betonte gleich zu Beginn, dass er sicher für Kontroversen sorgen werde, verwies aber potenzielle Kritiker, Verstimmungen an die Stadt zu richten. Freiberg habe ihn schließlich eingeladen – und bezahlt – und damit bekomme das Publikum eben, was man gebucht habe. Damit hat Hahne Recht! Die Stadt ist für diesen Festredner verantwortlich. Hahne lieferte. Der ins rechte Verschwörungs-Milieu verlorengegangene Publizist nutzte die Veranstaltung, um seine Bücher – von denen in den letzten Jahren zahlreiche erschienen sind – fortlaufend anzupreisen. Er zitierte aus drei verschiedenen Exemplaren. Diese waren druckfrisch, denn er öffnete sie und befreite sie demonstrativ aus der Folienverpackung am Rednerpult. Ohne es auszusprechen, suggerierte er dem Publikum: „Schaut her, die gibt es im Anschluss zu kaufen! Ihr könnt alles nachlesen, greift zu!“ Wie sich zeigt, hat das seine Wirkung nicht verfehlt. Verkäufer Hahne wird an diesem Abend ein gutes Geschäft gemacht haben. Er kam nicht mit Staubsaugern, er kam mit Büchern.

Gute Show – guter Umsatz. Eine passendere Überschrift lässt sich für seine Rede nicht finden. Er verfehlte das Thema – 30 Jahre Einheit, was verbindet und was trennt uns – völlig. Kinder von Politikern, allen voran der SPD, Linken und Grünen, würden auf Privatschulen gehen, obwohl man öffentlich das aktuelle Bildungssystem anpreise. Führende Personen in der Öffentlichkeit würden hinter vorgehaltener Hand befürchten, wenn sie frei ihre Meinung zu Themen wie Flüchtlinge oder dem Islam äußerten, würden sie ihren Job verlieren, linke Politiker wollten die Einheit nicht, usw. Alles in allem: Eine boshafte Doppelmoral der führenden „linken Eliten“. Schlimm wie die Gesellschaft verkommen ist – der (wieder) unausgesprochene Eindruck, den das Publikum haben sollte. Natürlich nicht nachprüfbar, natürlich nicht widerlegbar, da keine konkreten Personen und Aussagen benannt werden. Das immer gleiche Spiel rechter Populisten. Hahne ist ein Menschenfänger. Das hat er bewiesen. Hahne ist ein Spalter mit Kalkül. Wenn diese Veranstaltung neben dem Umsatz für seine Bücher ein weiteres Ziel gehabt haben sollte, dann das: Die Ossis und die Wessis trennt viel mehr als wir denken. Aber nicht das, was sie jetzt vielleicht denken, liebe Leser. Nein. Die Wessis haben sich seit viel zu vielen Jahren von der Politik, den Medien, den „Gretas“ und „Sprachpolizisten“ einlullen lassen, und sind müde, sie sind so müde, sie lassen sich sediert regieren. Die Ossis hingegen, ja, die haben noch das Feuer, den Mut auf die Straße zu gehen, sie wissen was Unterdrückung heißt (und wie man sie loswird? – unausgesprochen!), die, nein, WIR haben die Demokratie verstanden. Ein Wessi sagt dem Ossi, dass er die Demokratie verstanden hat, dass er das toll macht! – Die Krone der Mündigkeit des Ostdeutschen ist erreicht. Wir frohlocken vermöge des Gönners aus dem Westen, der es endlich ausgesprochen hat, genau das, was wir seit dreißig Jahren hören wollen: Ihr macht das toll. Fein, lieber Ossi – Ich hoffe, Sie lesen die Ironie aus meinen Worten. Auch 30 Jahre nach der Einheit Deutschlands gibt es sie noch: Die Arroganz eines alten westdeutschen Westdeutschen und die Demut alter ostdeutscher Ostdeutscher, die zu gutgläubig sind und einem charismatischen Prediger hinterherlaufen, weil sie denken, er steht auf ihrer Seite. Nichts da. Er steht nicht auf eurer Seite. Er steht dort, wo die Kasse klingelt. Und die klingelte laut aus dem Stadtsäckel – wie laut vermag ich nicht zu beurteilen – und sie klingelte laut am Verkaufstand vor der Kirche. Da war Hahne im Übrigen auch die gesamte Zeit nach seiner Veranstaltung, kein Diskurs, nur Verkauf.

Zum Schluss: Ja, die Stadt ist für diesen Redner verantwortlich. Sie kann nicht wissen, was er konkret sagt, sie kann es nur ahnen. Sie kann sich aber – nachdem sie weiß, was er gesagt hat –entschuldigen. Und diese Entschuldigung ist überfällig. Auf diese Entschuldigung warten viele, überhaupt auf eine Reaktion warten sie aus allen politischen Richtungen von CDU bis Linke. Seit der Veranstaltung hört man aber von Sven Krüger oder Holger Reuter nichts. Kein Kommentar, keine Stellungnahme. „Über was ich nicht spreche, ist nicht da.“ Das funktioniert vielleicht im Kindergarten ein paar Mal, bis man andere Strategien zur Konfliktbewältigung erlernt. Es funktioniert aber nicht in einer 40.000 Einwohnerstadt, die professionell und mit Haltung regiert werden sollte. Mein Fazit: Sie ist doch nach 30 Jahren in ostdeutschen Landen angekommen: Die Arroganz der Macht, die man im Osten doch eigentlich nach 30 Jahren immer noch (zu Recht) verteufelt.

 

(Dieser Kommentar ist auch in der aktuellen Ausgabe der „Bergstadt“ N° 116 erschienen)