Buchbesprechung in der Dezember-Ausgabe der Bergstadt Nr. 118
Es handelt sich bei den veröffentlichten Texten immer um die individuelle Meinung der jeweiligen Autoren
Von Christel Embacher
Fachbuch zur Corona-Krise
Clemens Arvay, Wir können es besser
Die Kenntnisse über das SARS-Cov-2, seine Gefährlichkeit und seine Verbreitung über den Globus haben sich seit der Jahreswende 2019/20 rasch erweitert und es gab durchaus Gründe zu einem Strategiewechsel in der Gesundheitspolitik, der jedoch ausblieb, während der öffentliche Diskurs in Alarmismus verfiel und verharrte. Zugleich wurden bisher national und international hochgeschätzte Fachleute in nicht für möglich gehaltener Weise zum Schweigen gebracht.
Das Verdienst von Clemens Arvay ist es, den Leser*innen seines Buches die Argumentation jener Fachleute nachvollziehbar machen. Stand Ende August bietet uns der interdisziplinär arbeitende Naturwissenschaftler in klarer Sprache und mit hunderten von Quellennachweisen die Möglichkeit, uns komprimiert und schlüssig zu informieren.
Der Untertitel, Wie Umweltzerstörung die Corona-Pandemie auslöste und warum biologische Medizin unsere Rettung ist, zeigt aber, daß das Thema weiter gefaßt ist und den besonderen Blickwinkel Arvays, den des Gesundheitsökologen beinhaltet.
Auch wenn dieser Blickwinkel befremdlich sein mag, schafft es der Autor uns rasch mit einigen wichtigen Faktoren vertraut zu machen, die das Risiko von Seuchen weltweit erhöhen.
Ein Übergreifen von Krankheitserregern zwischen Arten, die sich nie zuvor begegnet sind, findet statt, wenn Lebensräume verschwinden, wie beim Roden von Tropenwäldern.
Der Entstehungsweg des SARS-CoV-2 wird sich wohl nicht rekonstruieren lassen, jedoch gilt als sicher, daß der Erreger ursprünglich aus dem Tierreich stammt. Ähnliches gilt für HIV und Ebola.
Wo die Lebensbedingungen der Menschen schlecht sind, haben Erreger leichtes Spiel. Armut, Streß, beengtes Wohnen und Arbeiten, Schadstoffe in der Umwelt erhöhen das Seuchenrisiko. Dies gilt für die alten Seuchen wie Tuberkulose und Malaria – aber eben auch für SARS-CoV-2.
Risikofaktoren greifen ineinander und verstärken sich. So ist auch die in Europa verbreitete Massentierhaltung ein Hygienerisiko für Tier und Mensch.
Wenn in den hochentwickelten Industrienationen hohe Erkrankungs- und Todesraten von Covid19 auftreten, fällt eine Parallele ins Auge. Industriegebiete und Ballungsräume mit extremer Feinstaubbelastung weisen große Probleme mit schweren Verläufen von Covid-19 auf. Dieser Sachverhalt stimmt mit Prognosen von Umweltmedizinern überein, die für feinstaubbelastete Gebiete seit Jahren ein verstärktes Auftreten von Krankheiten des Atemtraktes beschreiben, sowie ein Ansteigen der Todesfälle aufgrund dieser Krankheiten.
Krankheiten des Atmungstraktes sind in der Vergangenheit angestiegen ohne in der Öffentlichkeit viel von sich reden gemacht zu haben, Lungenentzündungen verschiedener Ursachen, obstruktive Lungenerkrankung, Lungenkrebs. Nun also eine schwer zu beherrschende Viruserkrankung.
Sorgsam zeichnet der Autor alle die verschiedenen Einflüsse nach, die ihren Beitrag zur Covid-19-Pandemie geliefert haben dürften. Im Weiteren nimmt er für die Leser, die „auch in der Coronakrise noch differenziert denken möchten“, eine epidemiologische Wertung und Einordnung der Krankheit Covid-19 vor.
SARS-CoV-2 zeigt keine einzige völlig unbekannte Eigenschaft. Gerade bei den vertrauten Grippeerkrankungen aber auch bei vielen anderen Viruserkrankungen finden sich die Elemente der Covid19-Erkrankung wieder: Schwer verlaufende Fälle, Todesfälle, Hyperzytokinämie, Übergreifen auf andere Organe, auch auf das Gehirn, Rückfälle, Langzeitschäden und Spätschäden.
„Wir haben es mit einer Situation zu tun, in der die gesamte Weltöffentlichkeit zum ersten Mal erfährt, was Viren alles können – insbesondere im Zusammenhang mit Vorbelastungen. Aber wir erfahren es nur über ein Virus, das dadurch als besonders angriffslustig erscheint.“
Sorgfältig legt Arvay auch Fehlentwicklungen bei den Medien offen, die sensationsheischend vorgeprescht sind, auf die Korrektur ihrer Falschmeldungen und einseitigen Darstellungen aber verzichteten. Löbliche Ausnahmen entgehen ihm jedoch nicht.
Er benennt die Verkünder falscher Prognosen und setzt die realen Zahlen dagegen. Er beschreibt das mediale Schicksal selbst von hochangesehenen Aufklärern, die schon zu Beginn der Krise ausgewogene Einschätzungen vorbrachten. Auch verweist er auf durchaus schon vor der Krise bekannte Abhängigkeiten, etwa der WHO, von privaten Geldgebern und erlaubt sich, auf Interessenkonflikte von Regierungsberatern hinzuweisen.
Während Arvay die Absage von Großveranstaltungen nicht infrage stellt und die Bedeutung des Abstandhaltens für die Vermeidung einer Ansteckung unterstreicht, kann er doch dem Lockdown wenig abgewinnen. Die Argumentation, die Schwächsten schützen zu wollen, wirkt wenig plausibel vor dem Hintergrund all der fehlenden Mittel zur Krankheitsbekämpfung und Aufklärung sowie gesunderhaltender Maßnahmen national und weltweit und angesichts all der gesundheitlichen und sozialen Probleme, die die Lockdowns weltweit erst verursacht haben.
Der Autor legt Wert darauf, „die Denkmöglichkeit offenzuhalten, daß SARS-CoV-2 auch ohne Lockdown, mit einem kürzeren Lockdown oder zumindest mit weniger Bestrafungen von „Regelbrechern“ in den Griff zu bekommen gewesen wäre“. Er verweist auf freiwillige Zurückhaltung der Bevölkerung und darauf, daß eine Ansteckung durch bloße Atemluft oder gar im Freien extrem unwahrscheinlich ist. Zugleich ahnt er schon, daß es zur Grippesaison 2020 wieder zu Lockdown-Maßnahmen kommen würde.
Untersuchungen mit konservierten Blutproben haben ergeben, daß schon in den Jahren 2015-2018 die Hälfte der Blutspender für den Angriff von SARS-Cov-2 gerüstet waren, nicht durch Antikörper sondern durch die zelluläre Immunantwort (genauer der T-Zellen-Immunität). Vermutlich, weil verwandte Coronaviren dem Immunsystem der Untersuchten damals bereits bekannt waren. Das läßt die Abwehrlage der Bevölkerung in einem neuen Licht erscheinen und ist von Bedeutung für die Impfdebatte. Liegt eine ausreichende Abwehrlage in der Bevölkerung vor, erscheint die Entwicklung eines Impfstoffes fragwürdig.
Was die Impfstoffe angeht, die entwickelt werden, sind sie alle neuartig, nämlich nukleinsäurebasiert. Das heißt, der menschliche Körper wird durch einen gentechnischen Impfstoff veranlaßt, Virenproteine in seinen eigenen Zellen herzustellen, um damit eine Immunreaktion auszulösen. Diese völlig neue Technik wurde in einem Bruchteil der bisher für Impfstoffentwicklung vorgesehenen Zeit erprobt. Erprobungsphasen, die aufeinander folgen sollten, wurden gleichzeitig durchgeführt. Ein solches verkürztes Verfahren ermöglichten die Zulassungsbehörden. Selbstverständlich bedeutet das, daß Probleme vor der Impfstoffeinführung nicht sichtbar werden, die sich erst im Verlauf von Monaten und Jahren herausstellen. Bei der hohen Zahl der geplanten Impfungen würden viele Menschen geschädigt, auch wenn schwere Impfschäden nur im einstelligen Prozentbereich oder noch seltener vorkommen sollten.
Es entsteht der Eindruck eines zeitlichen Wettrennens, bei dem die Abwägung von Nutzen und Risiken ins Hintertreffen geraten ist. Als kritischer Beobachter wirft Arvay auch einen Blick auf die wirtschaftlichen Interessen von Investoren und den Werberummel, der die Impfstoffentwicklung begleitet.
Als langjährig aktiver Wissenschaftsautor hat Arvay gute Kontakte zu den Medien und er erinnert seine Kollegen daran, daß es nicht nur ein berichtenswertes Thema gibt. Er legt den Kollegen ans Herz, daß sie selbst kritisch berichten und nicht Kritiker verächtlich machen sollten. Interessenkonflikte aufzudecken, Regierungshandeln zu hinterfragen, falsche Mitteilungen korrigieren – auf all das bittet er seine Kollegen sich zu besinnen in seinem Kapitel „Appell an die Medien“.
Wie könnte aber gesundheitsökologisches Handeln von Bürgern aussehen? Hier liefert Arvay einige Anregungen, über die er vielleicht schon in früheren Artikeln und Büchern geschrieben haben mag. Die Gestaltung der Städte mit Bäumen, mit Wasser und mit Grün schafft mehr als nur ein ansprechendes Äußeres. Die Gesundheit profitiert nachweislich davon. Die Rolle des Aufenthaltes im Wald ist uns Freibergern bekannt durch Erich Kästners Gedicht von Doktor Wald und aus eigener Erfahrung. Arvay belegt die förderliche Wirkung von Terpenen, die der Wald an die Luft abgibt, von Feuchtpartikeln, die an den Blättern abprallen. Beispiele stadtnaher Landwirtschaft zeigen, daß es möglich ist, uns umweltfreundlicher zu ernähren. Und auch hier gibt es in Freiberg Möglichkeiten: ökologische Betriebe in der Region und die Marktschwärmer als Organisation regionaler Anbieter. Arvay schafft es gar nicht, die kreativen Ideen aus Freiberg alle vorwegzunehmen, die der Gesundheit und der Umwelt nützen, regt aber die Kreativität an.
Dieses pralle Werk wird ergänzt durch einen Gastbeitrag von Hirnforscher Gerald Hüther. Hier bekommt der Leser den Impuls, eine beängstigende Situation auch als Entwicklungschance zu verstehen, Fehler zu korrigieren, unermüdlich nach neuen, stimmigeren Konzepten zu suchen.