Die Stadtratssitzung vom 28. Januar 2021 hatte einige interessante Themen zu bieten. Leider macht es immer wieder eine Mehrheit aus konservativen, rechten und auch desinteressierten Kräften mühsam, wirkliche positive Akzente zu setzen.
Enttäuscht war ich darüber, dass ein Antrag bzgl. einer Bereitschaftserklärung zur Aufnahme von drei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen pro Quartal von der Mehrheit des Stadtrates durch einen Geschäftsordnungsantrag der AfD von der Tagesordnung genommen wurde. Man erklärte sich für nicht zuständig. Genauer gesagt erklärte man, dass man nicht für Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen zuständig sei und die Zuständigkeit beim Landratsamt liege. In der Folge wurde dann der Antrag zur Bereitschaftserklärung von der Tagesordnung genommen.
Eine Bereitschaft oder Absicht kann ein Stadtrat allerdings immer erklären. Damit sind keine finanziellen Folgen oder weitere Handlungen verbunden. Deshalb halte ich den Geschäftsordnungsantrag für rechtlich falsch. Er hat eine andere Sache zum Gegenstand als der eigentliche Antrag. Das dürfte auch eine Rechtsaufsicht feststellen. Im Übrigen hat der Freiberger Stadtrat 2018 einen Zuzugsstopp für Geflüchtete beschlossen – symbolisch, versteht sich – ohne eine eigene Zuständigkeit für die Verteilung von Flüchtlingen zu haben. So biegsam darf Recht nicht sein. Fazit: Andere Fraktionen haben sich hier von der AfD vor den Karren spannen lassen, um einer ablehnenden Haltung gegenüber Flüchtlingen Ausdruck zu verleihen.
Schade finde ich es, dass auch unsere beiden von dreien anwesenden SPD-Stadträte den Antrag der AfD nicht klar abgelehnt haben, sondern sich nur der Stimme enthielten. Hier wäre eine klarere Position notwendig gewesen.
Einstimmig stimmte der Stadtrat der Idee der SPD zu, ein Verbundticket für kulturelle Highlights der Stadt zu etablieren und außerdem zu analysieren, was bisherige Kombiangebote für eine Resonanz hatten und inwieweit eine bessere Vermarktung bestehender touristischer Angebote umgesetzt werden kann.
Der Stadtrat stimmte auch zu, ein Klimakonzept für die Stadt aufzustellen. Allerdings war es komisch, dass Fraktionen sich vorher gemeinsam beraten und auf einen Antrag verständigen wollten und dann zur eigentlichen Sitzung die CDU/FDP ausscherte und einen eigenen Antrag präsentierte. Kollegialität sieht anders aus. Es zeigt einmal mehr, dass es leider schwer fällt, sich auf die CDU und zuvorderst auf ihren Fraktionsvorsitzenden Steve Ittershagen zu verlassen. Um auch ja eine Abgrenzung zu progressiven Fraktionen zu gewährleisten, musste natürlich die Stadtverwaltung noch einen eigenen Antrag einbringen und diesen vor beide anderen auf die Tagesordnung setzen. Damit sollten andere Anträge hinfällig sein. So kam es auch. Der Wunsch nach einer Arbeitsgruppe, in der Umweltinitiativen und Vertreter von Stadtrat und Universität konkrete Maßnahmen erarbeiten sollten, wurde in den Verwaltungsantrag aufgenommen. Allerdings konnte auch hier wieder Steve Ittershagen mit einem Änderungsantrag der CDU erfolgreich verhindern, dass die Arbeitsgruppe mit einem Vertreter oder Vertreterin aus der Mitte des Stadtrates besetzt wird. Vermutlich war die Sorge zu groß, dass diese Person nicht aus den Reihen der CDU kam. Schade!
Freiberg hat zudem Änderungen der geltenden Polizeiverordnung beschlossen. Ein Antrag der AfD, dass Freiberger Bürgerwehren von einem Verbot ausgenommen sein sollten, fand zum Glück keine Mehrheit. Mit Verwunderung erlebe ich jedoch immer wieder das Entgegenkommen von Sven Krüger und Holger Reuter gegenüber Initiativen der AfD. Man machte den Vorschlag, das Verbot von Bürgerwehren gänzlich zu kippen, um dem Wunsch der AfD entgegenzukommen. Zum Glück stellte sich eine Mehrheit der Stadträte gegen diese Idee, sodass die Änderung keine Berücksichtigung im Antragstext fand. Hintergrund eines Verbotes von Bürgerwehren waren Aufmärsche der NPD und deren Jugendorganisation in Freiberg, die mit orangenen Schutzwesten bekleidet, Passanten ansprachen und vorgaben, auf deren Sicherheit zu achten. Damit haben sie sich hoheitliche Befugnisse angemaßt und sich als private Schutztruppe dargestellt, die das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Mit Nachdruck verhindert nun die neue Polizeiverordnung, dass nicht ausgebildete und geschulte Menschen das Gewaltmonopol des Staates selbst in die Hand nehmen und unterbindet kategorisch derartige Zusammenrottungen. Richtig so!
Trotz aller negativen Aspekte, bewegt sich der Stadtrat: Klimaschutzkonzept, Ausbau touristischer Angebote und andere Anträge, wie die Fortschreibung der Finanzierung sozialer Projekte – auch wenn man hier wieder ein Projekt zur Integration von Geflüchteten ausgegrenzt hat – sind gute Initiativen. Auf Antrag der Linken sollte der Verein Neue Heimat e.V. dieses Mal und damit zum ersten Mal ebenfalls eine Förderung erhalten. Die Verwaltung lehnte dies ab, zum einen mit der Begründung, der Verein fördere ein Parallelgesellschaft, da er kein offenes Konzept verfolge und zum anderen wegen finanzieller struktureller Bedenken. Letzteres kann ich nicht beurteilen. Ich weiß allerdings, dass der Neue Heimat e.V. auf der offiziellen Internetseite der sächsischen Staatsregierung als bürgerschaftliches Engagement aufgelistet ist: Link zur Ehrenamtsbörse der sächsischen Staatsregierung
Hat also auch hier wieder rechte und konservative Gesinnungspolitik zum Erfolg gefunden?