Meine Rede zur Nominierung als Bundestagskandidat

Meine Rede zur digitalen Nominierung am 8. März 2021

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Als ich vor zehn Jahren in die SPD eingetreten bin, wusste ich, dass ich das nicht nur tue, um eine Haltung auszudrücken oder als stilles Mitglied mich mit Themen auseinanderzusetzen. Ich wusste, dass ich irgendwann einmal auch Verantwortung übernehmen will, um mit diesen Idealen konkrete Politik zu machen.

Wenn man nun aktiv für ein Mandat kandidiert, setzt man sich natürlich mit der Frage auseinander – für was stehst du? Warum machst du das – was sind deine Themen? Was ist deine Motivation – die mich antreibt?

In letzter Zeit wird uns oft – und auch mir – vorgeworfen wir seien inhaltleer, nichts halbes, nichts Ganzes – stehen für alles und für nichts. Dieser Vorwurf wird befeuert von medialer Berichterstattung, die genüsslich konträre Positionen unserer Mitglieder ausbreitet und daraus Konflikte ableitet. Die es vllt. gar nicht so gibt oder die sogar notwendig sind für einen guten lebendigen Diskurs  – Logisch, wer einmal von 40 % kommt und jetzt bei 17 % liegt, hat Häme verdient, oder?

Und trotzdem habe ich mich und viele andere auch bewusst für einen Eintritt in die SPD entschieden. Ich 2009, andere Jahre darauf oder zuvor.  Ich hatte mich für die SPD entschieden, – und es war eigentlich nie ein Zweifel, dass es eine andere Partei werden würde- weil es bei uns egal ist woher man kommt, sondern es zählt das, was man leistet – weil wir immer den Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen, keinen abstrakten gesellschaftlichen Begebenheiten, sondern schlicht den Menschen mit seinen Zielen, Wünschen, Hoffnungen, Schwächen und Chancen, die jeder von uns braucht – eine verwaschene Vorstellung? – Hör auf zu predigen, höre ich Kritiker schon wieder sagen –  Ich glaube nicht.

Unser – und auch mein – Markenkern ist die soziale Frage, die soziale Frage hinter allen gesellschaftlichen Herausforderungen – wie können wir den Klimaschutz so gestalten, dass Menschen sich dafür einsetzen wollen, nicht weil sie es wohl oder Übel müssen, sondern weil sie es für ein Notwendigkeit halten ohne die nichts funktioniert und die vieles verbessert,  wie können wir unsere Identität beschreiben? Als Europäer, als Deutsche, als Menschen mit Verantwortung in unseren jeweiligen Lebenslagen, auf Arbeit , zuhause in der Familie, im Freundeskreis –  wie können wir das erreichte, unsere Errungenschaften in Gesellschaft und mit modernen Gesetzen, erhalten und dafür sensibilisieren, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist? Es ist immer eine soziale Frage. Menschen, die wissen wie sie auf lange Sicht arbeiten, sich und ihre nächsten versorgen, Menschen die eine Sicherheit in ihrem Umfeld spüren, können auch offen sein für eine großartige Vielfalt, gegenüber Menschen anderer Lebensvorstellungen, gegenüber der Gleichberechtigung von Mann und Frau, gegenüber Gender-Fragen, gegenüber anderen Religionen.

– aber viele Lebenslagen sind anders – Existenzängste, Identitätsängste – wir sind für beides die richtige Partei – gute Arbeit, gute Lebensbedingungen, gut Absicherung im Alter und bei Krankheit UND moralische gesellschaftliche Fortschritte sind keine Gegenteile!

Deshalb gibt es das eine Kernthema, was mich ausmacht, was uns ausmachen kann, weswegen wir in der Politik kämpfen wollen. Wir wollen eine soziale Zukunft schaffen, in der nicht die Länge der Ellenbogen zählen. Wir sind eine linke Volkspartei, deshalb habe ich mich entschieden, hier zu sein. Genauso wie ca. 400.000 Mitglieder in Deutschland und über 250 Mitglieder in Mittelsachsen – ein Abbild unserer Gesellschaft im Kleinen. Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Vorstellungen..  Unsere Vielfalt ist unsere Stärke, unsere Diskurse sind unsere Lebendigkeit.

Als Jurist liegt mir besonders Rechtsstaatlichkeit am Herzen. Und ich bin – ehrlich gesagt – am verzweifeln, wenn ich Menschen höre, die davon sprechen, dass unsere Verantwortungsträger – egal ob das Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete, Kommunalpolitiker, wie Stadträte oder Bürgermeister, sich ermächtigen, geheime Dinge im Schilde führen, sich gegen das Volk wenden uns klein halten…

– Im Kern fehlt es an Kommunikation. Das ist das Entscheidende. Eine oberflächliche Betrachtung von Gesetzen und Regularien, die das ganz persönliche Leben betreffen, ist der Teufel allen Übels.

Alle Menschen, die unsere Freiheiten, unsere liberale Verfassung genießen haben in meinen Augen die Pflicht, sich bewusster mit ihren Rechten auseinanderzusetzen – unterstützt durch Mandatsträger, Kommunalpolitiker, Stadträte, die Entscheidungen transparent machen, erklären – und wenn es mühsam ist, immer und immer wiederholen. Im Freiberger Stadtrat wollten wir dafür bessere Voraussetzungen schaffen und z.B. die Öffentlichkeit mit einem Livestream besser beteiligen, bisher gescheitert, auch auf Kreisebene ist so etwas notwendig. Transparent schaffen, Dinge verständlich machen.

Als weitere konkrete Idee, kann ich mir vorstellen, dass jedes Gesetz, jede Änderung oder Neuerung eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung bekommen sollte , einen Anhang in dem alle personellen, finanziellen und organisatorischen Auswirkungen auf die kleinen Städte schwarz auf weiß geschrieben stehen, keine bösen Überraschungen, kein Schimpfen auf die da oben, die die Kommunen allein lassen – eine bessere Kommunikation für alle.

 

Ich glaube, Menschen sind auch offen, wenn sie im persönlichen Umfeld Sicherheit spüren. Wenn Sie wissen, dass ihr Arbeitgeber oder Arbeitgeberinnen nicht nur auf maximalen Profit aus ist, sondern sich wirklich für die Angestellten interessiert, wenn man als Mensch zählt nicht als Humankapital. Dafür ist es notwendig, dass Gewerkschaften stärkere Rechte in Betrieben eingeräumt werden, Betriebsräte geschafft werden und das als der Normalzustand angesehen wird – auch bei Amazon und Co. Wir müssen mit Gesetzen und Sanktionen dafür sorgen, dass man sich auf Arbeit wohlfühlen kann. Der Staat muss hier in Vorleistung gehen. Ein Tarifvertrag in Bereichen der Pflege und anderen sozialen Berufen muss bspw. die nötige Absicherung bieten, die es braucht.

Auch müssen wir darüber nachdenken, ob der Arbeitnehmer, den wir als Arbeiter und Angestellten kennen heute noch so zeitgemäß und praktikabel im Gesetz dargestellt wird, wie es die realen Lebenslagen zeigen: Immerzu werden neue Lücken offenbart – Soloselbständigkeit, flexible Arbeitszeiten oder andere Autonomie sorgen dafür, dass viele durch das bisherige Raster fallen. Dafür braucht es ein starkes gesetzliches Netz, was absichert. Überlegen wir, wie wir das angehen! Wie können wir den Arbeitnehmerbegriff im 21. Jahrhundert neu definieren? Das ist, wie ich finde- eine zentrales Anliegen der Sozialdemokratie! Homeoffice und Digitalität im Arbeitsumfeld wird nach Corona nicht mehr weg zudenken sein. Der gesetzliche Rahmen auch hierfür ist dünn im Moment. Kommen wir dem Missbrauch solcher Situationen – den es sicher geben wird – zuvor! Und schaffen wir verbindliche gesetzliche Vorgaben.

 

Manchmal ziehen Menschen aus ihren Unsicherheiten die falschen Schlüsse. Alles bei altem lassen oder in ein gute alte Zeit flüchten, die es so nie gegeben hat, Sündeböcke finden.. sind erst einmal verständliche – aber falsche Reflexe. Ich will diejenigen aber nicht dort lassen, sondern bei ihren Problemen abholen. Und dabei – ganz wichtig! – nicht als erstes mit dem Finger zeigen und sagen, was die „richtige“ Vorstellung zu gesellschaftlichen Themen ist, sondern ich will mich fragen woher der Unmut kommt. Ich bin davon überzeugt: Begegnet man Menschen mit Empathie und einem Vertrauensvorschuss und nimmt sich ihrer Herausforderungen an, zeigt ihnen, dass man ehrliche Hilfe geben will, kann man sie auch aus der patriotischen, diskriminierenden und deprimierten Ecke herausholen.

Ich bin davon überzeugt, dass unser Weg – der Offenheit, der Anerkennung und Gleichstellung – ein guter Weg ist. Und deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass wir um jeden und jede kämpfen müssen.

 

Ich will kein Bundestagsabgeordneter nur für die junge Generation sein, sondern für alle Menschen, die zurecht Antworten auf die sozialen Fragen in ihrem Leben erwarten. Dafür streite ich, streiten wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen in der Politik. Das ist unser Antrieb.